Hans Emmenegger
Küssnacht 1866–1940 Luzern
«Stillleben mit Orangen» – 1919
Unten links monogrammiert HE in Ligatur, im Rund, und datiert 1919. Verso auf dem Chassis die Werknummer 230 im Rechteck.
Öl a/Lwd., 38 × 55 cm
Kunstauktion 24.09.2011 | Lot-Nr. 79
Provenienz:
Privatbesitz Westschweiz.
Paul C. Gloggner wird das vorliegende Bild in den Œuvrekatalog Hans Emmenegger aufnehmen.
Anders als im Gemälde „Kürbis“ (Nr. XY dieser Auktion), wo die magische Präsenz von Isolierung und Vereinzelung ausgeht, erzielt Hans Emmenegger die für seine Stillleben kennzeichnende, zugleich irritierende wie faszinierende Wirkung hier durch Wiederholung eines gleichartigen Gegenstandes.
Das Inventar von „Stillleben mit Orangen“ mag zwar konventionell anmuten: sechs Früchte auf drapiertem weissem Tuch auf einer Tischplatte vor neutralem hellem Hintergrund. Hingegen wirkt die Komposition dieser Elemente ebenso kunst- wie absichtsvoll: Der Tisch ist schräg ins Bild gestellt, das Tuch stösst von rechts ins Blickfeld hinein und türmt sich auf wie ein Schneegebirge. Davor erheben sich vier Orangen zu einer Pyramide, zwei weitere liegen links daneben, wobei eine davon etwas weiter vorne, bereits auf der Tischplatte ruht. Dort, im polierten Holz, spiegeln sich Tuch und Früchte in einem flimmernden Spiel von Licht- und Farbreflexen.
In feiner malerischer Nuancierung unterscheiden sich stärker orangefarbene von eher gelblichen Früchten und zeigen sich die Schlagschatten „farbig“. Leuchtend blau stehen sie in komplementärem Kontrast gegen das Orange der Früchte, während deren Rückstrahlung ihrerseits im Schattenton aufscheint.
Solche präzise farbliche Differenzierung – wie auch der betont sichtbare Pinselduktus, der stellenweise fast neo-impressionistisch anmutet – verrät unverkennbar den Einfluss des Kolorismus von Emmeneggers Freunden Cuno Amiet und Giovanni Giacometti. Einige Jahre vor Entstehung des vorliegenden Bildes hatte er mit Amiet Farbprobleme diskutiert und sich darüber beklagt, dass er, statt farbig zu sehen und zu malen, immer wieder ins Hell-Dunkel zurückfalle; ja, er nannte seine Bilder gar „Kohlensäcke“. Im „Stillleben mit Orangen“ ist Emmenegger dagegen eine ungewohnt koloristische Lösung gelungen, ohne dass er seine ureigenen Interessen – Bildgeometrie, Lichteffekt, Schattenwirkung, Spiegelung – hätte preisgeben müssen.